"Feigen, frische Feigen!" ruft vor den Toren des Vatikans eine dicke Römerin neben einem kahlgeschorenen Mann, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Mafia. Made in Italy" trägt und auf einem Stab einen kleinen Plastiknegerkopf in die Höhe hält, den er den vorbeigehenden Pilgern zeigt. Josef Winkler beschreibt in seiner "römischen Novelle" die Stadt, wo sie am lebendigsten ist: wochentags das Markttreiben auf der Piazza Vittorio Emanuele; sonntags das Warten und Lungern vor dem Vatikan. Unter den Wartenden befinden sich die Feigenverkäuferin und Piccoletto, ihr schöner Sohn, der sonst für einen Fischhändler auf der Piazza Vittorio Emanuele arbeitet. Wie diese Welt – einen endlosen Augenblick lang – in den Sog von Piccolettos Schicksal gerissen wird, ist atemberaubend.
Winklers Themen Tod, Sexualität, Katholizismus spielen in der Novelle eine bedeutende Rolle. In einer Rezension von Andreas Breitenstein (NZZ) analysiert er den Text als "monumentales Stilleben, in dem "Farben prunken, Formen prahlen, Stimmen schallen, Gerüche dampfen".
In Natura Morta unternimmt Josef Winkler eine quasi filmische Reise in den Straßenalltag Roms und macht die Folgen alltäglicher Gewalterfahrungen für die zarte, menschliche Individualität literarisch zugänglich. Dazu bedient er sich unter anderem einer lyrischen Übersetzung Ingeborg Bachmanns.
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