Sie sind der letzte Jahrgang, der noch alles mitmachen darf – damals in Dresden vom Sommer vor der Wende bis zur Wiedervereinigung: die lauen Freibadnächte und die Ausweiskontrollen durch die »Flics« auf der »Rue«, die Konzerte im FDJ-Jugendklub "X. Weltfestspiele" oder in der Kirche vom Plattenbaugebiet, wo ein Hippie, den sie "Kiste" nennen, weil er so dick ist, mit wachsamem Blick Suppe kocht für die Punks und ihre Pfarrerstöchter.
Sie sind die Letzten, die noch "vormilitärischen Unterricht" haben. Und sie sind die Ersten, die das dort Erlernte dann im Herbst 89 erst gegen die Staatsmacht anwenden. Und schließlich gegeneinander. Denn was bleibt dir denn, wenn du zum Fall der Mauer beiträgst, aber am nächsten Tag trotzdem eine Mathe-Arbeit schreiben musst, wenn deine Freundin eine gläubige Kommunistin ist und die Kumpels aus dem Freibad zu Neonazis werden?
Von der Unschuld des letzten Sommers im "Tal der Ahnungslosen" bis zu den Straßenschlachten rund um die deutsche Einheit: Peter Richter beschreibt in seinem autobiografischen Roman das chaotische Ende der DDR aus der Sicht eines damals Sechzehnjährigen – pointiert, authentisch und sprachlich brillant. Coming of Age im Schatten von Weltgeschichte. (Klapptext)
Irgendwann hauchte die DDR ihren letztem Atem aus, es wurde wiedervereinigt, die Treuhand wickelte brachial eine komplette Industrienation ab, mit katastrophalen wirtschaftlichen Folgen bis heute. Es ist das totale Versagen der Politik bei einer einmaligen historischen Chance. Peter Richters Ich-Erzähler bringt es auf den Punkt: „Wir liefen an den Überresten der Feierlichkeiten vorbei. Deutschlandfahnen, Bierflaschen, Erbrochenes. Die Menschen schliefen jetzt. Wenn sie wieder aufwachten, würden sie arbeitslos sein.“
Es ist kein Zufall, dass die Pegida-Aufmärsche in Dresden ihren Anfang nahmen. Peter Richter macht uns das in seinem Buch sehr deutlich: Alles, was wir jetzt gerade erleben, der Ausbruch an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im realen wie im virtuellen Leben, das alles hat seine Wurzeln in den Schicksalsjahren 1989 und 1990. Und es ist ein Symptom für das, was alles schiefgegangen ist bei der Wiedervereinigung. Nur wollte es zwei Jahrzehnte lang kein politisch Verantwortlicher wissen.
Lit Cities verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu bieten. Bitte stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu.
Ich stimme zu