Transit

Anna Seghers

Über das Buch

Im Sommer 1940 ist der Norden Frankreichs bereits von den Nazis besetzt, die deutschen Truppen rücken nach Süden vor. In Marseille, am Rand des Kontinents, stauen sich die Flüchtlingsströme. Zu Tausenden treffen die Verfolgten und Bedrohten in der südfranzösischen Hafenstadt ein. Unter ihnen der Ich-Erzähler, der eine schmerzliche Liebe zu Marie durchlebt, die ihren Mann sucht, an dessen Tod sie nicht glauben will. Durch Zufall mit falschen Papieren und der Hinterlassenschaft jenes Toten ausgestattet, erhält er eine Passage nach Übersee.

Auf ihrer eigenen Odyssee von Marseille nach Mexiko begann Anna Seghers an diesem Roman zu arbeiten. Dennoch spiegelt er die Ereignisse nicht einfach wider, sondern ist ein Werk voller Anspielungen und Bezüglichkeiten. Der Roman, den Heinrich Böll als ihren schönsten bezeichnete, erschien bereits 1944 auf Spanisch, Englisch und Französisch, 1948 endlich auch auf Deutsch.

ISBN: 978-3-7466-3501-9

Die Kontraste meines Alltags zu Beginn der Pandemie in einer Hafenstadt am Mittelmeer lassen mich an Anna Seghers Roman „Transit“ denken. Das blitzende Meer, die wärmende mediterrane Sonne, ein Tag nach dem anderen streicht vorüber. Ein Kaffee folgt dem nächsten, dazu der Wein. Ungewissheit liegt in der Luft, viele vertraute Orte sind ihrer Normalität entfesselt. Draußen ist der Körper in ständiger Bereitschaft. Auf unserem Weg zum Strand tauchen zwei Polizeiwagen auf. Es fühlt sich dystopisch an. Unter dem Absperrband durch, die Klamotten vom Körper, noch nie war die Überwindung vor der Meereskälte nebensächlicher. Kleine Nebenstraßen führen uns zurück in die Geborgenheit der eigenen vier Wände, mit der eine bedrückende Langeweile einher geht. Draußen vermischt sich das wiederkehrende Teppichklopfen der Hubschrauber mit dem beruhigenden Rauschen des Meeres. Dazu die monotone Aufforderung aus den Lautsprechern sich nach Hause zu begeben.

Segehrs verbindet in ihrem Exilroman ihre eigenen Erfahrungen mit poetischer Erfindung: Ihre Protagonisten wandeln durchs Leben in einer Zeit dazwischen. Alle, die noch in letzter Minute fluchtartig den Kontinent verlassen wollen, finden sich in der französischen Hafenstadt ein. Es ist der Restposten einer noch auf Freiheit hoffenden Welt, deren Ende mit dem Vormarsch der deutschen Truppen stündlich näher rückt. Auf einer Hetzjagd durch Behörden und Konsulate laufen sich die Charaktere immer wieder über den Weg. Dabei verschaffen sie der Leserschaft einen Eindruck von all dem, was das Leben der Transitäre auf Trab hält. Die Szenen in den Behörden und Bars zeichnen eine Atmosphäre zwischen beeindruckender Leichtigkeit und kaum auszuhaltender Ausgesetztheit gegenüber der drohenden Gefahr.

Asta von Mandelsloh

Asta von Mandelsloh

Geisteswissenschaftlerin

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