Über Haschisch

Walter Benjamin

Über das Buch

"Nun kommen die Zeit- und Raumansprüche zur Geltung, die der Haschischesser macht. Die sind ja bekanntlich absolut königlich. Versailles ist dem, der Haschisch gegessen hat, nicht zu groß und die Ewigkeit dauert ihm nicht zu lange." Haschisch in Marseille sind die Protokolle von Drogenexperimenten, die Walter Benjamin in den Jahren 1927 bis 1934 gemeinsam mit Freunden unternahm und in einem Buch münden sollten. "Aber das Essen war später. Erst die kleine Bar am Hafen."

ISBN: 978-3-518-36521-2

Nicht alle der in diesem schmalen Band versammelten Haschisch-Versuche, die Walter Benjamin unternahm und pseudo-wissenschaftlich genauestens dokumentierte sind gleichermaßen interessant. Aber dieses eine Mal, als er, 36-jährig, am 29.Juli 1928 ganz alleine in Marseille Haschisch nahm, das liest sich wirklich sehr gut. Gleich der erste Satz: „Um sieben Uhr abends nach langem Zögern Haschisch genommen.“ Es gibt wirklich schlechtere erste Sätze. Aber dann passiert erstmal nichts. Er ist im Hotel, wartet. Nichts. Irgendwann traut er sich raus auf die Straße, und siehe da, es geht los. Ganz sachte. So: „Mein Stock fängt an, mir besondere Freude zu machen.“ Als die Größen Raum und Zeit unzuverlässiger zu werden beginnen, sucht er eine Bar auf. Danach geht er essen. Das Restaurant heißt Basso. Er bestellt etwas, das leider aus ist. Ewig sucht er auf der Speisekarte nach einer Alternative, kann sich nicht entscheiden, würde am liebsten alles bestellen: „Das war aber nicht nur Verfressenheit, sondern eine ganz ausgesprochene Höflichkeit gegen die Speisen, die ich nicht durch eine Ablehnung beleidigen wollte.“ 

Im weiteren Verlauf des Abends spaziert er heiter durch die nächtliche Stadt, beobachtet Passanten, lässt sich treiben, „sehr wunschlos gestimmt“. Als er von irgendwoher Jazz vernimmt, reißt ihn die Musik zu etwas hin, das er sonst nie tut, weil es gegen seine Erziehung ist. „Ich habe vergessen, mit welcher Begründung ich mir gestattete, ihren Takt mit dem Fuß zu markieren.“ Scheint ein guter Abend in Marseille gewesen zu sein.

Johanna Adorján

Johanna Adorján

Journalistin & Schriftstellerin

Marseille

im Literaturatlas anzeigen

Lit Cities verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu bieten. Bitte stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu.

Ich stimme zu